Offshore und Medien 2010 Ein Kommentar von Jan Sundermann
In Ergänzung zu den Ausführungen von Martin, die früher im Jahr hier publiziert worden sind, erlaube ich mir ein paar Anmerkungen zum Offshore–Jahr 2010. Gab es dieses überhaupt? Für mich ja: Mehrere Monate lang hat mich der Untergang der Plattform „Deepwater–Horizon“ sehr stark beschäftigt. Da sinkt also im Golf, 250 Meilen vor der US Küste, eine Bohrinsel, die zu dem Zeitpunkt von BP (= British Petrol, auch wenn Don Stevens hartnäckig behauptet, dass die nun „Beyond Petrol“ heißen) betrieben wird, und die einer schweizerischen (!) Gesellschaft namens „Transocean“ gehört. In echter Offshore-Manier ist die Insel (Design „schwimmender Halbtaucher“) unter einer Billigflagge registriert (Marshall-Islands im Pazifik, ehemals deutsche Kolonie). In den ersten Tagen nach dem Untergang, als sich
der Unfall zum größten Umweltdesaster im Golf entwickelt, befasst man sich
auf der Homepage von Transocean weiter nur mit dem Umrechnungskurs des
Franken als Basis für die Ausschüttung der aktuellen Dividende des
weltweit größten Offshore-Bohrinselbetreibers. Eine schweizerische Firma
im Offshore-Geschäft? Da gab es doch schon mal was. Richtig: Lockerbie! Al
Megrahi, der in Schottland als Attentäter inhaftiert ist, wird gegen den
Protest der USA von der Regierung Cameron 2009 freigelassen und an Libyen
ausgeliefert. Und der Grund? BP hatte sich in Libyen um Lizenzen bemüht,
um vor der Küste im Mittelmeer nach Öl bohren zu dürfen. Hat BP auch
bekommen. Unter anderem dadurch, dass der Konzern sich auf Wunsch der
libyschen Regierung in der Downingstreet Nr.10 erfolgreich dafür
einsetzte, dass der krebskranke Al-Megrahi freigelassen wird. Bin
gespannt, ob BP eines Tages da unten auf das Wrack der MEBO II stößt. Einige Free-Radio Leute haben zwar inzwischen den langen Marsch durch die Institutionen geschafft, aber im Prinzip bleibt es in Deutschland beim Verlegerrundfunk (Zitat Frank Leonhardt). Apropos Verleger: Auch hier zeigt das Drama „Deepwater Horizon“ auf beeindruckende Weise, wie wenig Unwissen ausreicht, um heutzutage einen weltweiten Medienrummel auszulösen. Da verteilt sich also das Öl in erschreckendem Ausmaß im Golf von Mexico. Und dann kommen die Schlagzeilen „Kevin Kostner hat die Lösung zur Entfernung des Öls aus dem Meerwasser“. Eine Meldung und die Story dahinter: Tatsächlich besitzt die Kostner-Familie Anteile an einem Unternehmen, welches sogenannte Separatoren baut. Also Maschinen, die mechanisch durch Fliehkraft Flüssigkeiten voneinander trennen, z.B. auch Wasser und Öl. Maschinen gleichen Prinzips werden seit einem halben Jahrhundert in Niederbayern gebaut. Aber damit einen halben Ozean reinigen? Unmöglich. Abgesehen von der notwendigen Anzahl der Maschinen, den Energieaufwand dafür hätte selbst die Menge des aus dem Bohrloch ausgetretenen Öls nicht abgedeckt. Aber so triviale Fakten ignoriert die LA-Times,
welche die Kostner Story ins Rollen gebracht hatte. Immerhin hatte man
eine „Promi“-Schlagzeile. Printmedien, die nicht tiefer recherchieren,
werden weiter verlieren. Auch in Deutschland. Auf dem nächsten Erkrather Radiotag können das
wieder nostalgisch diskutieren. Aber das kann immer nur ein Teil davon
sein, die Zeit läuft weiter. © 2010
|