Offshore und Medien 2010
Ein Kommentar von Jan Sundermann

 

Nun bin ich bald 40 Jahre lang Offshoreradio-Hörer. In meinen letzten Realschulwochen, Sommer 1971, war der Brandanschlag Thema auf dem Schulhof in Mettmann.

In Ergänzung zu den Ausführungen von Martin, die früher im Jahr hier publiziert worden sind, erlaube ich mir ein paar Anmerkungen zum Offshore–Jahr 2010. Gab es dieses überhaupt? Für mich ja: Mehrere Monate lang hat mich der Untergang der Plattform „Deepwater–Horizon“ sehr stark beschäftigt. Da sinkt also im Golf, 250 Meilen vor der US Küste, eine Bohrinsel, die zu dem Zeitpunkt von BP (= British Petrol, auch wenn Don Stevens hartnäckig behauptet, dass die nun „Beyond Petrol“ heißen) betrieben wird, und die einer schweizerischen (!) Gesellschaft namens „Transocean“ gehört. In echter Offshore-Manier ist die Insel (Design „schwimmender Halbtaucher“) unter einer Billigflagge registriert (Marshall-Islands im Pazifik, ehemals deutsche Kolonie).

In den ersten Tagen nach dem Untergang, als sich der Unfall zum größten Umweltdesaster im Golf entwickelt, befasst man sich auf der Homepage von Transocean weiter nur mit dem Umrechnungskurs des Franken als Basis für die Ausschüttung der aktuellen Dividende des weltweit größten Offshore-Bohrinselbetreibers. Eine schweizerische Firma im Offshore-Geschäft? Da gab es doch schon mal was. Richtig: Lockerbie! Al Megrahi, der in Schottland als Attentäter inhaftiert ist, wird gegen den Protest der USA von der Regierung Cameron 2009 freigelassen und an Libyen ausgeliefert. Und der Grund? BP hatte sich in Libyen um Lizenzen bemüht, um vor der Küste im Mittelmeer nach Öl bohren zu dürfen. Hat BP auch bekommen. Unter anderem dadurch, dass der Konzern sich auf Wunsch der libyschen Regierung in der Downingstreet Nr.10 erfolgreich dafür einsetzte, dass der krebskranke Al-Megrahi freigelassen wird. Bin gespannt, ob BP eines Tages da unten auf das Wrack der MEBO II stößt.

Die Existenz der Seesender hatte naturgemäß immer mit Medienpolitk zu tun. Diese ist 2010 in Deutschland beinahe revolutioniert worden: Man beschloss die GEZ abzuschaffen! Und was machen die bisherigen Nutznießer der GEZ? Die Landesmedienanstalten weigern sich entweder (zumindest zeitweise) ihren Pflichten nachzukommen (Sachsen, bei der Finanzierung der nichtkommerziellen Lokalsender), oder sie versinken langsam aber sicher nur noch in ihrer eigenen Selbstverwaltung (LfM Düsseldorf). NKL-Radios und Bürgerfunk, beide Formen werden letzten Endes durch GEZ-Gelder finanziert. Insofern müsste der Etat der LfM in Düsseldorf eigentlich sinken, denn nach der vorletzten Novelle des Landesmediengesetzes wird der Bürgerfunk hier praktisch nicht mehr gefördert. Aber weder der Etat (rund 20 Mio.€ bzw. 1,91% des Gebührenaufkommens je Bundesland) noch die Anzahl der Anstaltsmitarbeiter scheint gesunken zu sein. Aber dafür ist man intensiv mit der Vergabe sogenannter Medienpreise beschäftigt. Ist sicher auch irgendwo wichtig?

Einige Free-Radio Leute haben zwar inzwischen den langen Marsch durch die Institutionen geschafft, aber im Prinzip bleibt es in Deutschland beim Verlegerrundfunk (Zitat Frank Leonhardt).

Apropos Verleger: Auch hier zeigt das Drama „Deepwater Horizon“ auf beeindruckende Weise, wie wenig Unwissen ausreicht, um heutzutage einen weltweiten Medienrummel auszulösen. Da verteilt sich also das Öl in erschreckendem Ausmaß im Golf von Mexico. Und dann kommen die Schlagzeilen „Kevin Kostner hat die Lösung zur Entfernung des Öls aus dem Meerwasser“. Eine Meldung und die Story dahinter: Tatsächlich besitzt die Kostner-Familie Anteile an einem Unternehmen, welches sogenannte Separatoren baut. Also Maschinen, die mechanisch durch Fliehkraft Flüssigkeiten voneinander trennen, z.B. auch Wasser und Öl. Maschinen gleichen Prinzips werden seit einem halben Jahrhundert in Niederbayern gebaut. Aber damit einen halben Ozean reinigen? Unmöglich. Abgesehen von der notwendigen Anzahl der Maschinen, den Energieaufwand dafür hätte selbst die Menge des aus dem Bohrloch ausgetretenen Öls nicht abgedeckt.

Aber so triviale Fakten ignoriert die LA-Times, welche die Kostner Story ins Rollen gebracht hatte. Immerhin hatte man eine „Promi“-Schlagzeile. Printmedien, die nicht tiefer recherchieren, werden weiter verlieren. Auch in Deutschland.
Anders die NY-Times. Da hatte ich es in die Online-Kommentare geschafft mit meinem Vorschlag, wie man das Bohrloch eventuell zuschweißen könnte. Aber das offizielle Komitee für die Steuerung der Rettungsmaßnahme und die Schließung des Lecks hatte zu diesem Zeitpunkt meinen Vorschlag auch schon geprüft und verworfen. Immerhin, ich hab das „schwarz auf weiß“.

Mit diesen paar Zeilen möchte ich skizzieren, dass Seesenderhören mehr bedeuten kann, als Hitparaden, Sticker und Nostalgie. Mir zumindest geht es so.
In den wildesten Zeiten auf der Mi Amigo hatte man einen alten Generator an einer Kette als Notanker in der Themsemündung versenkt. So etwas könnte man heute nicht mehr machen, siehe oben.

Auf dem nächsten Erkrather Radiotag können das wieder nostalgisch diskutieren. Aber das kann immer nur ein Teil davon sein, die Zeit läuft weiter.

In diesem Sinne,
Jan Sundermann

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